Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnis – Vertauschen der Formulare „Überlassen von Schusswaffen“ und „Erteilung Erlaubnis nach WaffG“ Hier: Antrag auf aufschiebende Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 5 VwGO

Im Rahmen der Regelung der Vollziehung und § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht Münster den Antrag im Verfahren 1 L xxx/20 ab. Der Antragsteller klagt parallel im Hauptverfahren gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarten.

 

Das Gericht führt auszugsweise wie folgt aus:

1.Es bestehen bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des unter Ziffer 1) des Bescheids vom 8. April 2020 verfügten Widerrufs der Waffenbesitzkarten Nr. 4xxx/1 und 4xxx/2.

 

Rechtsgrundlage des Widerrufs ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Nach dieser Vorschrift ist eine nach dem Waffengesetz erteilte Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.

Der formell aller Voraussicht nach nicht zu beanstandende Widerruf ist materiell rechtmäßig. Es sind nachträglich, das heißt nach Erteilung der Erlaubnis nach dem Waffengesetz, Tatsachen eingetreten, die zur Versagung hätten führen müssen.

Voraussetzung für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis ist unter anderem gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG, dass der Antragssteller die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG unter anderem in der Regel dann nicht, wenn sie wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen haben.

Die Unzuverlässigkeit des Antragstellers ergibt sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids,

vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 – 6 C 24.06. -, juris, Rn. 35, m. w. N.,

aus § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG.

 

  1. Es sprechen weit überwiegende Gründe dafür, dass der Antragsteller – ohne zu diesem Zeitpunkt über eine entsprechende Erlaubnis zu verfügen – Anfang 2020 einen Revolver, Kaliber 22lr, der Marke Weihrauch-Arminius von Herrn … erworben hat….

Zwar trägt der Antragsteller im Rahmen der verwaltungsbehördlichen Anhörung und des gerichtlichen Verfahrens nunmehr vor, dass er die betreffende Waffe – entgegen den eingereichten Anzeigen – nicht von Herrn … erworben habe. Der Revolver habe sich vielmehr ununterbrochen in dem Tresor von Herrn … befunden. Zu einer Überlassung des Revolvers sei es noch nicht gekommen. Die Übergabe sei bislang lediglich vorbesprochen worden. Er – der Antragsteller –  habe versehentlich das falsche Formular von der Homepage des Antragsgegners heruntergeladen. Eigentlich habe er das Formular „Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach dem Waffengesetz“ herunterladen wollen. Stattdessen habe er versehentlich das Formular „ Anzeige über den Erwerb von Schusswaffen“ heruntergeladen. Gerade für ältere Jäger, die über längere Zeit keine Waffen ab- und umgemeldet hätten, sei es teilweise schwierig, die verschiedenen Formulare zu unterscheiden….

Der Vortrag legt nicht substantiiert dar, weshalb der Antragsteller ein mit „Anzeige des Überlassens von Schusswaffen“ und Herr … ein mit „Anzeige über den Erwerb von Schusswaffen“ überschriebenes Formular ausgefüllt und bei dem Antragsgegner eingereicht habe, wenn es tatsächlich zu keiner Übergabe des Revolvers gekommen ist. Soweit der Antragssteller vorträgt, die Formulare seien teilweise schwer zu unterscheiden und er habe daher versehentlich das falsche Formular gewählt, ist dies nicht nachvollziehbar. Die von dem Antragsteller und Herrn … ausgefüllten und unterschriebenen Formblätter sind kurz und sehr übersichtlich gestaltet; Missverständnisse beim Ausfüllen sind nicht denkbar. Es ist ohne weiteres eindeutig ersichtlich, dass durch Ausfüllen und Einreichen der Formulare eine bereits erfolgte Überlassung bzw. ein bereits erfolgter Erwerb – und nicht der Umstand, dass es in Zukunft eventuell zu einer Überlassung bzw. einem Erwerb kommen soll – dokumentiert wird. Insbesondere ist offensichtlich, dass in das Feld, das mit „Zeitpunkt des Überlassens“ bzw. „Zeitpunkt des Erwerbs“ überschrieben ist, der Zeitpunkt des tatsächlichen Erwerbs einzutragen ist….

Unabhängig davon kann von dem Antragsteller und Herrn … als langjährigen Inhaber von Waffenbesitzkarten erwartet werden, dass ihnen der Ablauf eines Erwerbs bzw. eine Überlassung einer Kurzwaffe bekannt ist und dass sie hierbei die erforderliche Sorgfalt anwenden. …

  1. In diesem Verhalten des Antragstellers liegt ein gröblicher Verstoß gegen das Waffengesetz.

Ausgangspunkt der Bewertung, ob eine Verletzung von Vorgaben des Waffengesetzes gröblich ist, ist der ordnungsrechtliche Zwecke; das Gesetz will das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering halten. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe stets und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Es geht im Wesentlichen um das sachliche Gewicht des zu beurteilenden Handelns oder Unterlassens, nicht dagegen darum, ob der Gesetzesverstoß als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit geahndet worden ist oder geahndet werden kann. Entscheidend ist vielmehr, ob im Einzelnen die Rechtsverletzung gemessen an den genannten Zielsetzungen objektiv schwer wiegt und in subjektiver Hinsicht im Besonderen den Betreffenden als grobe Pflichtverletzung zuzurechnen ist, sei es weil er vorsätzlich gehandelt oder sich als besonders leichtsinnig, nachlässig oder gleichgültig gezeigt hat.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 31. August 2006 – 20 A 524/05-, juris, Rn. 29 ff.; VG Münster, Urteil vom 9. November 2015 – 1 K 1155/14 -, juris, Rn. 45 f., m.w.N.

Gemessen daran hat der Antragsteller gröblich gegen das Waffengesetz verstoßen.

Die Rechtsverletzung ist objektiv schwerwiegend. Indem er den Revolver von Herrn …  ohne die erforderliche Erlaubnis erworben hat, hat der Antragsteller gegen §§ § 1 Abs. 3, 2 Abs. 2, 10 Abs. 1 Satz 1 WaffG verstoßen. Diese Vorschriften dienen dem Zweck, dass die zuständige Behörde im Vorfeld einen Waffenerwerbs prüfen kann, ob die Voraussetzungen des Erwerbs erfüllt sind. Ein Waffenerwerb soll nur dann stattfinden, wenn dies gesetzlich zulässig ist. Zudem soll gewährleistet werden, dass die zuständigen Behörden jederzeit die Kontrolle darüber ausüben können, welcher Waffenbestand in ihrem Bezirk vorhanden ist. Die Vorschrift dient damit dem zentralen Anliegen des Waffengesetzes, den Umfang und den Verkehr mit Waffen zur Unterbindung einer illegalen Weitergabe von Waffen einer lückenlosen und damit effektiven behördlichen Kontrolle zu unterstellen.

Das Verhalten des Antragstellers stellt sich auch in subjektiver Hinsicht als gröblich dar. Den Antragsteller ist mit hoher Wahrscheinlichkeit vorsätzliches Verhalten, zumindest aber in hohem Grade fahrlässiges und leichtsinniges Verhalten vorwerfbar.

Umstände, die im Fall des Antragstellers eine Ausnahme von der durch § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG „in der Regel“ vermutet Unzuverlässigkeit begründen, können im vorliegenden Verfahren nicht festgestellt werden.

Auch der Umstand, dass sich der Antragsteller bislang werden waffenrechtlich noch jagdrechtlich etwas hat zuschulden kommen lassen, rechtfertigt vorliegend keine andere Bewertung. Da aufgrund der damit verbundenen Gefahren nach der gesetzgeberischen Intention nur solche Personen Zugang zu Waffen haben sollen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen, liegt die erforderliche Zuverlässigkeit regelmäßig bereits nach dem erstmaligen Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften nicht mehr vor.

2.Auch wenn man den Ausgang des Hauptsacheverfahrens vor dem Hintergrund des Vortrags des Antragstellers bezüglich der Übergabe des Revolvers als offen ansähe, käme eine reine Interessenabwägung aus den nachstehenden Erwägungen ebenfalls zum Überwiegen des Aussetzungsinteresses.

Dass in Konstellationen der vorliegenden Art ein erhebliches Vollzugsinteresse besteht, ist bereits durch die Vorschrift des § 45 abs. 5 WaffG indiziert. Nach dieser Vorschrift haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 WaffG keine aufschiebende Wirkung, sofern die Erlaubnis wegen des Nichtvorliegens oder Entfallens der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 zurückgenommen oder widerrufen wird. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges legitimes Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft (u.U. mehrere Monate oder Jahre) überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könnte in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-) Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (BT-Drs. 16/07717, S. 33).

Vgl. Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2019 – 21 CS 18.701 -, juris, Rn. 26, und vom 12. Dezember 2017 – 21 CS 17.1332 -, juris, Rn. 18.

In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nummern 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besondere Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 – 1 BvR 2025/03 – juris, Rn. 21 f.; Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2019 – 21 Cs 18.701 -, juris, Rn. 27, und vom 12. Dezember 2017 – 21 Cs 17.1332 -, juris, Rn. 20; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. Januar 2018 – 7 B 11798/17 -, juris, Rn. 15.

Überwiegende schutzwürdige Belange des Antragstellers, die es gebieten könnten, dem Aussetzungsinteresse im vorliegenden Fall ausnahmsweise den Vorrang vor dem öffentlichen Vollzugsinteresse einzuräumen, sind vor dem Hintergrund des besonderen Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen und dem Schutz überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung nicht ersichtlich.

Auch der Umstand, dass der Antragsteller bereits seit geraumer Zeit über eine Waffenbesitzkarte verfügt und sich bislang weder waffenrechtlich noch jagdrechtlich etwas hat zuschulden kommen lassen, begründet kein überwiegendes Aussetzungsinteresse. Da aufgrund der damit verbundenen Gefahren nach der gesetzgeberischen Intention nur solche Personen Zugang zu Waffen haben sollen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen, genügt bereits ein erstmaliger Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften, um das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegen zu lassen.

  1. Der Antrag ist auch unbegründet, soweit er auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die unter Ziffer 2) des angefochtenen Bescheids verfügten weiteren Maßnahmen gerichtet ist….

Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der an den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis anknüpfenden weiteren Maßnahmen (vgl. Ziffer 2) des Bescheids vom x. April 2020) liegt ebenfalls vor. Dieses ergibt sich aus den Gefahren, die von Waffen und Munition in den Händen unzuverlässiger Personen ausgehen können, die hier aus einem weiteren Abwarten bis zur Bestandskraft des Bescheides resultieren. Es liegt im öffentlichen Interesse, das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten in jeder Hinsicht das Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffen jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Davon kann im Fall des Antragstellers derzeit nicht ausgegangen werden.

….

Kostenentscheidung: § 154 Abs. 1 VwGO. Streitwert: $$ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. 50.2 Streitwertkatalog – § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5000,00 €für die erste Waffe sowie 750 für jede weitere. Davon die Hälfte im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

OVG NRW, Beschluss vom 23.6.2010 – 20 B 45/10, juris, Rn.27.