Vorrang der Landesjagdgesetze vor Bestimmungen der Satzung einer Jagdgenossenschaft; Nichtigkeit von Beschlüssen
Was passiert, wenn Bestimmungen einer älteren Satzung einer Jagdgenossenschaft gegen neuere Bestimmungen des jeweiligen Landesjagdgesetzes verstoßen?
Ein früherer Jagdpächter verlor seine Jagd an einen neuen Jagdpächter. Er warf der Jagdgenossenschaft vor, dass die Beschlussfassung der Jagdgenossenschaft (im Februar 2024) zu Punkt x der Tagesordnung der Verpachtung des Jagbezirkes xyz, gegen einen § der Satzung der Jagdgenossenschaft verstößt und somit nichtig ist.
Die zuständige Untere Jagdbehörde führt dazu wie folgt aus:
Im entsprechenden § der Satzung heißt es:
„Ein Jagdgenosse oder ein Bevollmächtigter ist von der Mitwirkung an der Abstimmung entsprechend § 34 BGB ausgeschlossen, kann sich nicht vertreten lassen und auch keinen anderen vertreten, wenn sich die Beschlussfassung auf den Abschluss eines Rechtgeschäfts oder auf einen Rechtsstreit zwischen der Jagdgenossenschaft und ihm selbst bezieht.“
Wie in der Niederschrift zur Genossenschaftsversammlung des Jagdbezirks xyz aufgeführt, kam es bei der Beschlussfassung zur protokollierten und von gemäß Satzung ausgeschlossenen Beteiligten an der Abstimmung und somit zum Verstoß gegen die Satzung (Vgl. Stimmzettel Herr x, Jagdgenosse und Kassenführer und Herr y), so der Vorwurf.
Nach dem aktuellen, gegenüber der Satzung höherrangigen Landesjagdgesetz NRW (LJG NRW) wäre dies allerdings erlaubt. In § 7 VII LJG NRW heißt es: Der Jagdgenosse, der die Ausübung der Jagd von der Jagdgenossenschaft pachten möchte, oder seine Vertretung, ist berechtigt, in der Jagdgenossenschaftsversammlung an den Abstimmungen über die Vergabe der Jagdpacht und über die Verlängerung eines Jagdpachtvertrages teilzunehmen. Als Vorstandsmitglied darf ein Jagdgenosse nicht an Verträgen mit sich selbst mitwirken.“
Herr x ist Jagdgenosse und Kassenführer (kein Vorstand) und hätte somit nach dem LJG NRW an der Abstimmung teilnehmen dürfen. Auch Herr y hätte nach dem LJG NRW abstimmen dürfen. § — der Satzung ist nicht mehr mit dem aktuellen Landesrecht vereinbar. Hintergrund der gesetzlichen Regelung des § 7 VII LJG NRW ist der Umstand, dass Eigentümer von Flächen die Möglichkeit haben sollen, über diese selbst zu verfügen und eine Entscheidung treffen dürfen. Sie sollen ein Recht haben, von dem Jagdrecht auf ihren Flächen Gebrauch zu machen und in diesem Zusammenhang für sich stimmen zu dürfen. Dies ist analog zu den Eigenjagdbezirken zu betrachten. Insoweit ist die Satzung an das LJG NRW anzupassen. (Dies wurde von hier bereits angestoßen).
Bei einer Jagdgenossenschaft handelt es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Maßgeblich sind daher im Übrigen grundsätzliche nicht die Vorschriften des BGB für privatrechtliche Vereine, sondern die Regelung des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) und des LJG NRW. Hier erklärt lediglich § — der Satzung § 34 BGB für entsprechend anwendbar. Dies führt jedoch nicht zu einer darüberhinausgehenden Geltung der vereinsrechtlichen Vorschriften des BGB. Die Satzung könnte diesen auch keine Vorrang gegenüber dem BJagdG und dem LJG NRW einräumen.
Eine Beanstandung der gleichwohl aktuell noch satzungswidrigen Abstimmungen und damit der Notwendigkeit der Wiederholungen der Abstimmung nach Anpassung der Satzung an die Vorgaben des LJG NRW wäre hier nur dann in Betracht gekommen, wenn sich der Fehler auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hätte, es also bei richtigem Verfahren zu einem anderen Beschlussergebnis gekommen wäre oder hätte kommen können (vgl. etwa Urteil des VG Saarland v. 10.09.2008, Az. 5 K 12/08, Rn. 51f.; Urteil des VG Halle v. 27.02.2009, Az. 3 A 124/06, Rn. 37; beide zitiert nach juris und unter Verwies auf die entsprechende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie mehrerer Oberverwaltungsgerichte). Dies ist hier nicht der Fall.
Das Stimmrecht von Herrn x und Herrn y war entscheidungsunerheblich (siehe Stimmzettel). So erhielten die Altpächter …insgesamt 10 Stimmen mit zusammen H …Hektar. Herr x (— Hektar) und Herr y (— Hektar) haben zusammen lediglich —-Hektar und zwei Stimmen abgegeben.
Die Abstimmung über die Pächtergemeinschaft wäre somit auch ohne die Stimme von Herrn x und y gleich entschieden worden.
Aus diesem Grund sehen wir als Untere Jagdbehörde keinen weiteren Handlungsbedarf.
Der Altpächter argumentierte :
… Der Verstoß gegen die aktuell gültige Satzung der Jagdgenossenschaft gründet sich wie eingangs erwähnt auf den Verstoß gegen § — der Satzung:
„Ein Jagdgenosse oder ein Bevollmächtigter ist von der Mitwirkung an der Abstimmung entsprechend § 34 BGB ausgeschlossen, kann sich nicht vertreten lassen und auch keinen anderen vertreten, wenn sich die Beschlussfassung auf den Abschluss eines Rechtgeschäfts oder auf einen Rechtsstreit zwischen der Jagdgenossenschaft und ihm selbst bezieht.“
Der o.g. Absatz — aus § — der Satzung ist im Gegensatz zu der verfälschenden Darstellung in der Niederschrift durch § 7 Abs. 7 des LJG NRW gültig, da er diesen im Sinne von § 34 BGB konkretisiert.
(Vgl. § 34 BGB „Ein Mitglied ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Verein betrifft.“)
Zur Anwendung des angeführten § 7 Abs. 7 des LJG NRW wäre eine Satzungsänderung einschließlich der Genehmigung der Unteren Jagdbehörde im Vorfeld zwingend erforderlich gewesen, welche jedoch nicht erfolgt ist. Die Satzung situativ per Wortbeitrag für ungültig zu erklären, ist weder statthaft noch juristisch haltbar. (Vgl. § 33 BGB Abs. 1 u. 2)
Da § — das Wohl der Genossenschaft in erheblichem Maße vor Schaden schützen soll ist Abs. — gem. § 28 BGB als zwingende Satzungsbestimmung zu sehen und ein Verstoß dagegen als schwerer Fehler zu werten.
Somit ist der Beschluss der Verpachtung aufgrund des o.g. Verstoßes gegen die Satzung nichtig (Vgl. OLG Hamm, Urt. V. 24.06.2013, Az. 8 U 125/12; Zitat: „Eine wirksame Beschlussfassung setzt die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und die Beachtung der Satzungsbestimmungen des Vereins voraus. Beschlüsse, die unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder zwingende Satzungsbestimmungen gefasst sind, sind nichtig (Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 10. Auflage 2012, Rdn. 864)“) und der daraus resultierende und außerdem ungültige Pachtvertrag (Vgl. LG Koblenz AZ: 10 O 89/19 i.V.m. Niederschrift Punkt 2) entsprechend juristisch als nicht existent anzusehen.
Begründet in der Unheilbarkeit der festgestellten Nichtigkeit und der Konsequenz, dass alle Folgen des Beschlusses als nicht existent zu sehen sind, sind demnach alle involvierten Parteien in die Ausgangslage von der Beschlussfassung zu versetzten.
Es kommt also darauf an, ob die laut LJG zu wertenden Stimmen etwas am Ergebnis geändert hätten.
Zu berücksichtigen ist außerdem, dass Vertragsschlüsse durch den Vorstand der Jagdgenossenschaft im Außenverhältnis gültig sind.
Stand September 2024; Rechtsanwälte Mühlenbein und Kollegen, www.jagdrecht.de
Rechtsanwalt Josef Mühlenbein
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Rechtsanwalt Mühlenbein verbindet als Jäger und Jagdpächter und als Eigentümer und Redakteur der Seiten www.jagdrecht.de und www.waffenrecht.de seinen Beruf mit seinem Hobby.