Verkehrssicherungspflicht bei Drückjagd bzw. Nachsuche

Angenommen, eine Rotte Sauen läuft im Rahmen einer Drückjagd bzw. Nachsuche auf eine Straße und es kommt zu Unfällen:

Es ist Pflicht des Jägers, auf angeschossenes Wild nachzusuchen. Auch am Sonntag oder Feiertag. Und wenn das Stück im Maisschlag steckt auch mit Treibern und Schützen.

Dabei ist zunächst zu klären, ob es sich um eine Nachsuche oder eine Drückjagd handelt.

Ähnliche Fälle sind in der Rechtsprechung bekannt:
Landgericht Aachen 6 S 176/90 vom 30.8.1990 Band VIII, Nr. XI in den „Jagdrechtlichen Entscheidungen“ Verlag Dieter Hoffmann: „…Unzweifelhaft kann auch unter dem Gesichtspunkt der Pflicht zur potenziellen Gefahrenabwehr gegenüber Dritten die Jagdausübung in einer gewissen Entfernung von dem Verkehr gewidmeten Straßen nicht schlechthin, weil gegen die Beobachtung der erforderlichen Verkehrssicherungspflicht verstoßend, als unzulässig angesehen werden. Der Jagdausübungsberechtigte ist nicht gehalten, den Straßenverkehr vor den allgemeinen Gefahren zu schützen, die von über die Straße wechselndes Wild ausgehen. Abwehr und Steuerung solcher durch die Widmung der Straße geschaffenen Gefahren obliegt nicht ihm, sondern den für die Unterhaltung und Sicherung der Straße verantwortlichen Stellen (vgl. BGH, VersR 1976 Seite 593). Aus der Sicht der Verkehrsteilnehmer ist es unter gewöhnlichen Umständen unerheblich, ob das Wild von einem Jäger oder aus anderen Gründen, etwa bei Wald- oder Feldarbeiten oder von Spaziergängern ungewollt oder bewusst aufgeschreckt worden ist. Deshalb tritt auch der Gesichtspunkt, dass der Jäger das Wild planmäßig aufsucht, es bewusst aufstört, für die Beurteilung der zu verlangenden Gefahrenabwehr zurück. (Das Landgericht geht im weiteren von einer Treibjagd aus, in unserem Fall lag aber keine klassische Treibjagd vor:)

Eine andere Beurteilung ergibt sich hier allerdings dadurch, dass bei einer Treibjagd, wie sie vorliegend durchgeführt wurde, der Straßenverkehr über das Maß ,,normaler’’ Verkehrserwartung hinaus durch bei einer Jagd hochgemachtes Wild beeinträchtigt wird. Dabei kommt es letztlich nicht entscheidend darauf an, ob die Jagd auf Hasen und Fasanen (Anm.: oder Nachsuche auf ein krankgeschossenes Wildschwein) ging, der Zusammenstoß sich aber mit aufgescheuchtem Schalenwild ereignete. Unvermeidlich wird, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, bei einer Treibjagd auch anderes Wild aufgestört, soweit es sich im Jagdgebiet aufhält (BGH a.a.O., Seite 594). Daher ist der Jagdausübende für verpflichtet zu halten, bei Treibjagden das Wild nicht in Richtung auf eine befahrene Straße zu treiben, sondern das Treiben von der Straße möglichst wegzuführen und dabei durch Postenketten einem Wildwechsel in Richtung auf die Straße zusätzlich vorzubeugen (BGH a.a.O.)

Es ist zu klären, ob der Verantwortliche diesen Anforderungen nachgekommen ist. Angenommen, die Treibjagd bewegte sich in etwa parallel zum Straßenverlauf, führte also nicht auf die Straße zu. …Zusätzlicher Sicherungen seitens des Beklagten, etwa durch Aufstellen von Streckenposten an der Straße oder durch Anbringen sogenannter Jagdlappen, bedurfte es dann auch unter dem Gesichtspunkte der dem Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht nicht (vgl. hierzu auch Gaisbauer, Anmerkung zum Urteil des OLG Celle vom 27. Mai 1984, VersR 1975, Seite 187/188)…“.

Es kommt dann darauf an, ob im Rahmen der Nachsuche nur auf das kranke Stück gejagt wurde, oder ob auch andere Schweine bzw. Rotten bejagt wurden. Dann waren weitere Sicherungsmaßnahmen, wie sie in der Rechtsprechung im Rahmen einer Drückjagd mit Hundemeute neben einer Straße teilweise unter bestimmten Voraussetzungen gefordert werden, nicht notwendig und nicht angebracht. Aber sogar wenn es sich um eine typische Drückjagd gehandelt hätte, wäre eine Haftung unter folgenden Voraussetzungen nicht anzunehmen LG Rostock Urteil v. 6.9.2002 – 4 O 176/02, Band VIII, Nr. 117 in Nr. XI in den „Jagdrechtlichen Entscheidungen“ Verlag Dieter Hoffmann, : „…Andererseits können nicht alle nachteiligen Auswirkungen der Jagd von dem Verkehr ferngehalten werden; das gilt gerade für die Beeinträchtigung des Straßenverkehrs durch bei der Jagd aufgestörtes Wild. Müsste die Gefahr solcher Verkehrsberührungen mit über die Straße wechselndem Wild unterbunden bleiben, könnte angesichts heutiger verkehrsmäßiger Erschließung der Landschaft ein sinnvolles Bejagen nicht mehr stattfinden. Auf Straßen, die über Land oder durch Wald führen, gehören solche Begegnungen mit flüchtendem Wild zu den gewöhnlichen Gefahren des Straßenverkehrs. Solche Unfälle sind im Verhältnis zum Jäger als Lasten des Straßenverkehrs anzusehen, für die der Geschädigte den zur Jagdausübung Berechtigten nicht zur Verantwortung ziehen kann.

Anderes gilt, wo der Straßenverkehr über das Maß normaler Verkehrserwartungen hinaus durch bei der Jagd hoch gemachtes Wild beeinträchtigt wird. Gefahren der Jagd, die durch jene Zwänge der Verhältnisse nicht gefordert werden, braucht der Straßenverkehr nicht ohne weiteres hinzunehmen. Ebensowenig darf er den Gefahren eines wesentlich erhöhten Wildwechsels ausgesetzt werden, selbst wenn sie mit einer bestimmten Art der Jagdausübung notwendig verbunden sind. Solchen erhöhten Gefahren muss entweder durch wirksame Maßnahmen begegnet werden, oder die Jagd muss unterbleiben. Deshalb wird der Jagdausübungsberechtigte für verpflichtet gehalten, bei Treib- oder Drückjagden das Wild nicht in Richtung auf eine befahrbare Straße zu treiben oder zu drücken, sondern das Treiben von der Straße möglichst weg zu führen und dabei durch möglichst dichte Treiberketten einem Auswechseln des Wildes nach rückwärts zusätzlich vorzubeugen, etwa durch Anbringung von sogenannten Jagdlappen, sodass entlang der gefährdeten Straßen ausbrechendes Wild von einem Wechsel über die Straße abgehalten wird, oder durch Warnbilder und Warnposten die Verkehrsteilnehmer auf die Jagd hingewiesen werden (vgl. BGH a.a.O., S. 594 m.w.N.).“

LG Aachen a.a.O.: „…Schließlich kann dem Beklagten auch nicht der Vorwurf gemacht werden, die Jagd zu nahe an der Bundesstraße durchgeführt zu haben. Die Gefahr, wie sie sich vorliegend verwirklicht hat, wäre nicht wesentlich geringer gewesen, wenn in einem größeren Abstand zur Straße gejagt worden wäre. Der Wildwechsel wäre allenfalls einige Zeit später aufgetreten, da Rehwild, wenn es durch Jäger aufgestört wird, oft erst nach geraumer Zeit in seiner Flucht verhält und darüber hinaus hinsichtlich des Fluchtweges kaum zu beeinflussen ist (vgl. BGH a.a.O., Seite 593 und 594)…“.

LG Aachen a.a.O.: „…Kann mithin dem Beklagten der Vorwurf, die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt zu haben, nicht gemacht werden, so steht dem Kläger ein Anspruch aus § 823 Absatz 1 BGB auf Ersatz des ihm durch den Unfall entstandenen Schadens nicht zu.

Der Beklagte haftet auch nicht aus § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 20 Absatz 1 BJagdG. § 20 BJagdG verbietet das Jagen an Orten, an denen nach den Umständen des Einzelfalles die öffentliche Sicherheit gestört oder Menschenleben gefährdet werde und ist Schutzgesetz im Sinne von § 823 Absatz 2 BGB (vgl. Lorz, BJagdG § 20 Anmerkung 1 a. E.).

Aus § 20 BJagdG ist aber kein generelles Verbot herzuleiten, in der Nähe von Bundes- oder anderen Straßen die Jagd auszuüben (vgl. Urteil des AG Freising vom 29. Dezember 1983 in: Jagdrechtliche Entscheidungen V Nr. 11). Wesentlich sind vielmehr, wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 20 Absatz 1 BJagdG ergibt, die Umstände des einzelnen Falles. Ob also die öffentliche Sicherheit oder das Leben von Menschen gefährdet würde, ist unter vergleichbaren Kriterien zu beurteilen wie die Frage, ob der Jagdausübende die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht beobachtet hat. Danach ist festzustellen, dass jedenfalls auf Grund der vom Beklagten getroffenen Sicherungsmaßnahmen ein Verbot der Treibjagd nach § 20 Absatz 1 BJagdG zu verneinen ist…. (s.auch Lorz, BJG, § 20 Rdn.1)…“.

LG Aachen a.a.O.: „…Durfte der Beklagte aber unter den gegebenen Voraussetzungen in dem betroffenen Gebiet … die Jagd durchführen, so kann ihm keine Verletzung dieses Schutzgesetztes vorgeworfen werden, mit der Folge, dass auch eine Haftung aus § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 20 Absatz 1 BJagdG entfällt.

Schließlich enthält auch weder die Straßenverkehrsordnung noch das Bundesfernstraßengesetz Schutzgesetze im Sinne vom § 823 Absatz 2 BGB, welche die Jagdausübung in diesem Gebiet untersagen würde…“.

Siehe auch die Entscheidungen
AG Freising, Urteil vom 29.12.1983 – 1 C 137/83, Nr, 38 Band V, Nr. XX in den „Jagdrechtlichen Entscheidungen“ Verlag Dieter Hoffmann
LG Aachen, Urteil vom 21.1.1987 – 7 S 323/86, Nr. 42 Band VI, Nr. XX in den „Jagdrechtlichen Entscheidungen“ Verlag Dieter Hoffmann

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